12.01.2024 , Pressemitteilung
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Schwabgasse 94

Von weitem sieht das Gebilde aus wie ein Berg, in dem Mäuse wohnen. Oder Hamster. Hier hausen die idyllische Familie Kovacic und Herrmann Wurm und seine Mama, die in den Papst verliebt ist. Außerdem Mariedl, die von den Menschen gefeiert wird, weil sie jede Abortverstopfung ohne Handschuhe beseitigt. Mit jeder Drehung der Bühne mischen sich weitere Einsamkeitsgestalten darunter: Erna und Grete vor dem Farbfernseher, ein singender Hamster, kopfschüttelnde Lektorinnen und der Hundsmaulsepp, der ein Requiem auf die Welt spricht, allesamt Figuren aus dem Schwab’schen Universum. Und war das da eben nicht der Autor?

Der Grazer Dramatiker Werner Schwab starb vor 30 Jahren in der Silvesternacht. Nach erfolglosen Versuchen, seine Prosa bei Verlagen unterzubringen, begann er fürs Theater zu schreiben und wurde innerhalb kürzester Zeit zu einem gefeierten Bühnenautor. Die Konzentration richtete er dabei immer auf die Sprache. Seine Figuren sprechen über sich selbst wie über fremde Dinge. Sie sind Gefangene ihrer Sprache, die das »Menschenhafte« mit schonungsloser Präzision aufdeckt. Im Sprechen schälen sich die Figuren heraus aus allen zivilisatorischen Gewändern und erscheinen hässlich, brutal und kalt. Wie »Trash« müsse man seine Stücke behandeln, fand Werner Schwab, das Publikum müsse sich »auf die Schenkel schlagen vor Lachen und dann plötzlich die darunterliegenden Grausamkeiten entdecken«.

In einer traumartigen Groteske lässt Regisseur David Bösch Figuren aus mehreren Stücken Werner Schwabs aufeinandertreffen und webt Fragmente aus dessen Arbeitsbüchern in die Textfassung hinein. Aus diesem Material entstehen auch Momente voller Wärme und Hoffnung. Einer davon ist die Begegnung zwischen Herrmann und Mariedl, zwei Figuren, die in Schwabs Stücken niemals aufeinandertreffen.

»Aber ich werde es schaffen, Sie werden sehen, ich verspreche es Ihnen«, formuliert Mariedl, die in mehreren Schwab-Stücken auftritt, an einer Stelle. Es war zugleich Schwabs letzter Satz als Dramatiker.

 

Dauer: 1 Stunde 50 Minuten, keine Pause

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