Bühnenbeschimpfung
(Liebe ich es nicht mehr oder liebe ich es zu sehr?)
von Sivan Ben Yishai
Aus dem Englischen von Maren Kames
Stück des Jahres (Theater heute, Kritiker:innen-Umfrage Saison 22/23)
1966 schrieb ein Grazer Student Theatergeschichte. Der erst 24-jährige Peter Handke stellte in seinem Stück »Publikumsbeschimpfung« vier Schauspieler auf die Bühne und ließ sie die Zuschauenden minutenlang mit Schimpf und Spott überziehen – die ihrerseits mit Buh-Orkan, Pfeifkonzert und ausuferndem Gelächter antworteten. Ein Miteinander von Bühne und Zuschauerraum war geschaffen: das Fanal einer neuen Theaterära.
Über 50 Jahre später dreht Sivan Ben Yishai, deren Stücke in den letzten Jahren das deutschsprachige Theater erobert haben, den Spieß noch einmal um. In ihrem preisgekrönten Text widmet sie sich in einer Mischung aus Faszination, Kritik und Verwunderung dem Geschehen vor, auf und hinter der Bühne. Sie seziert das Theater als Arbeitsort und jahrhundertealte Tradition, als geheime Abmachung zwischen Kunst und Publikum, als überkommene bürgerliche »Hochkultur« ebenso wie als Ort gemeinsamer Utopien.
In rasanten Perspektivwechseln spricht der Text für die Schauspieler:innen auf der Bühne sowie das Publikum im Saal. Von den schnödesten Bedürfnissen bis zu den größten Träumen legt Ben Yishai dabei lustvoll und schamlos jeden Gedanken offen. Ein theatraler Rundumschlag, bei dem kein Stein auf dem anderen bleibt.
Dauer: ca. 2:15 Stunden, mit Pause
Besucher:innen der Sonntagnachmittags-Vorstellungen steht eine kostenlose Kinderbetreuung zur Verfügung! Alle von 3 bis 10 Jahren sind willkommen. Anmeldung bis spätestens 4 Tage vor der jeweiligen Sonntagsnachmittags-Vorstellung unter info@tagesvater.at
Premiere: 15.12.2023
Trailer
Pressestimmen
»Bei den eigenen Erfahrungen im Theaterbetrieb, die vom Ensemble erzählt werden, brilliert Anke Stedingk, der man auch später alles, was sie sagt, förmlich aus der Hand fressen möchte. Ihr komödiantisches Talent, ihre offene, konfrontative, zugleich aber selbstironische Art ist einfach umwerfend. […] Es ist die Mischung aus einer abwechslungsreichen Regie und einem ebensolchen Text, der gar nichts außen vor lässt, was das Theater selbst betrifft, welche Wirkung zeigt. Eine Wirkung, die mit einem Langzeitgen ausgestattet ist. Vieles, was man an diesem Abend hört und sieht, hallt nach. Vor allem immer wieder die Frage nach dem Warum und die Feststellung, dass Theater heutzutage nichts mehr bewirken könne. Zugleich aber blitzt immer wieder jene Lust am Spiel durch, welche dieses Medium über die Jahrtausende am Leben hielt. […] Ein Abend zum Nach-, aber auch Vorausdenken, nicht nur über die Zukunft des Theaters.« European Cultural News, Michaela Preiner, 16. Dezember 2023
»In schwungvollen Dialogen und begleitet von Musik (Leon Jereb und Kaya Meller) sowie einer engagierten Statisterie, die das Publikum unterwandert, entwickelt die Inszenierung bemerkenswerte Kurzweil für jene, die sich ertappt, bestätigt oder widersprochen fühlen. Die „Bühnenbeschimpfung“ ist ein Theaterstück im wortwörtlichen Sinn: ein Stück von, für, über und jedenfalls schonungslos therapeutisch gegen Theater. […] Das fünfköpfige Ensemble vollzieht eine Nabelschau, aber immerhin bei einem Nabel, von dem es bekannterweise heißt, er würde die Welt bedeuten. Bühnenfloskeln wie diese zieht Sivan Ben Yishais Text durch einen Kakao, dem auch das Publikum nicht entkommt: Dieses sei mehr an der Stückdauer als am Stoff interessiert. Das politische Theater ist tot, die Revolutionen fänden anderswo oder eher nicht statt.« Kleine Zeitung, Daniel Hadler, 17. Dezember 2023
»In einer Post-Corona-Welt, in der sich mehr denn je die Frage stellt, wie (system-)relevant das Theater noch ist, klopft die Autorin die Institution auf ihre Schwachstellen ab: Finanzielle und emotionale Abhängigkeiten spielen da genauso eine Rolle, wie die Frage nach dem Mitspracherecht des einzelnen in einem letztlich recht autoritären Rahmen, in dem Intendanz, Autor und Regie vorgeben, was auf der Bühne zu sehen und hören ist und zu geschehen hat. Furios hantelt sich das Ensemble (Sarah Sophia Meyer, Luiza Monteiro, Anna Rausch, Anke Stedingk und Thomas Kramer) durch diesen verbalen Dschungel der Selbstreferenzen. […] In den besten Momenten ist dieser Abend eine dringend nötige Paartherapie für das Bildungsbürgertum und seine Bühnenclowns – nicht umsonst hat Ausstatterin Carolin Mittler das Ensemble in bunte, ausufernde Tüllberge gesteckt, aus denen sie sich nur mit viel Klamauk befreien können.« Kronen Zeitung, Christoph Hartner, 17. Dezember 2023