Schwabgasse 94

Schwabgasse 94

Eine Hommage an Werner Schwab

Von weitem sieht das Gebilde aus wie ein Berg, in dem Mäuse wohnen. Oder Hamster. Hier hausen die idyllische Familie Kovacic und Herrmann Wurm und seine Mama, die in den Papst verliebt ist. Außerdem Mariedl, die sich selbst Postkarten schreibt. Mit jeder Drehung der Bühne mischen sich weitere Einsamkeitsgestalten darunter, sehnsüchtig an Telefonhörern schnüffelnde Kreaturen, Erna und Grete vor dem Farbfernseher, Verlegerchöre und seltsame Paare, allesamt Figuren aus dem Schwab‘schen Universum. Und war das da eben nicht der Autor? Oder nur einer seiner Gedanken? »Das Leben ist süßes Menschenfleisch – großartig und langweilig«, notiert Werner Schwab, und in seinem Kopf sowie im Bühnenbild lebt all das beieinander: alltägliche Beobachtungen, skizzierte Dramen und halbfertige Gedichte.

Mit dem Jahr 2024 jährt sich der Todestag des Grazer Dramatikers Werner Schwab zum 30. Mal. In einer traumartigen Groteske lässt Regisseur David Bösch Figuren aus mehreren seiner Stücke aufeinandertreffen und lässt den Autor auch mit unbekannteren Texten zu Wort kommen, indem er Fragmente aus Schwabs Arbeitsbüchern einwebt.

Dauer: 1 Stunde 50 Minuten, keine Pause

Premiere: 12.01.2024

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Trailer

Pressestimmen

»Von Beginn an sitzt jeder Satz, passt jede Regie-Idee, beeindrucken das trashige Bühnenbild und die treffenden, ausdrucksstarken Kostüme von Patrick Bannwart. Getragen von einem Ensemble, das sich die Seele aus seinem Leib zu spielen scheint, wird schon nach wenigen Augenblicken klar, dass dieser Abend eine Sensation ist. Wie sich Olivia Grigolli als Frau Wurm und Mervan Ürkmez als ihr Sohn Herrmann anfangs eine Beschimpfungsschlacht ersten Ranges liefern und dabei ihr Innerstes nach außen kehren, ist zum Lachen und zum Erschrecken gleichermaßen. […] Grigolli in der Rolle der verhärmten Mutter taucht später als Grete, der Gegenspielerin von Erna in den Präsidentinnen wieder auf. Darin liefert sie sich mit Karola Niederhuber das Duell des Wojtyla-Leberkäses gegen eine Pistole, ausgefochten in zwei nebeneinanderstehenden Mülleimern, dass einem Hören und Sehen dabei vergehen kann. Allein für diese Szenen lohnt es sich, das Stück anzusehen, wären da nicht noch eine ganze Reihe anderer. Auch sie leben vom Spiel, vom Text und dem Zauber, dass sich dies alles zu einer Einheit fügt, die Schwab als das erkennen lässt, was er tatsächlich war: Ein Sprachen- und Erzählgigant, der der Gesellschaft einen Spiegel vorhielt, in den viele nicht schauen wollten und auch heute noch nicht schauen können. Karsten Riedels Musikbeigaben, angesiedelt zwischen Punk und Pop trennen die Szenen gekonnt voneinander, ohne als reiner Übergang wahrgenommen zu werden. Die Auftritte von Rudi Widerhofer als Hundsmaulsepp, Dichter und Nationalratsabgeordneter – sind prämierungswürdig.« European Cultural News, Michaela Preiner, 12. Jänner 2024

 

»Für die Hommage nun im Grazer Schauspielhaus hat David Bösch ein Konglomerat aus Stücken zusammengestellt und mit Fragmenten aus Schwabs Arbeitsbüchern verbunden. Er faltet damit des Autors Sozial-Horizont weit auf. All diese Figuren ergehen sich in gar wüsten Monologen. „Die Welt abstechen wie eine Sau“ sagt einer, aber das wollen fast alle hier. Und doch offenbaren sich in den oft exzesshaften Tiraden ganz reale Befindlichkeiten und vor allem Sehnsüchte. „Die Wirklichkeit schaut manchmal so aus wie der Herrmann Wurm“, heißt es einmal – und das ist kein Kompliment. Das „Schwabische“ führen diese Leute als Kunstsprache im Mund und wirken dabei schmerzlich-nahbar. All das Nicht- Eingelöste der jeweiligen Lebensumstände wird greifbar. David Bösch arbeitete mit einem sehr disziplinierten Ensemble. Da weiß jeder Einzelne, wann des Outrierens genug ist. Auf größten Rumor folgt Leises, und das mutet dann an, als schaue man durch Gucklöcher in die verwundeten Seelen. Einige einnehmende, verinnerlichte Monologe hat Rudi Widerhofer in mehreren Rollen, etwa als Hundsmaulsepp aus dem weniger bekannten Stück „Mein Hundemund“. Es bleiben in dieser dicht gebauten Szenenfolge Freiräume, die einen nachdenken lassen über die literarische Position von Werner Schwab. Der Einfluss Thomas Bernhard’scher Figuren mit ihren Suaden ist greifbar. Was von der Formulier-Drechslerei der Elfriede Jelinek motiviert scheint, ist damals wohl in der Luft gelegen.« nachtkritik.de, Reinhard Kriechbaum, 13. Jänner 2024

 

»Ein acht Meter hoher Papp-Papst Johannes Paul II. mit Winke-Arm, ein Porträt von Kurt Waldheim mit Teufelshörnern (Bühne & Kostüme: Patrick Bannwart) bebildern Ära und Gesellschaft, die zum Nährboden der Schwabkunst wurde. In diesem Kosmos ist jede Grauslichkeit menschengemacht, eine Folge von Bösartigkeit, Habgier, Borniertheit, Bigotterie. Wer hier den Mund aufmacht, tut es, um zu verletzen. Schwab wollte zum Lachen reizen, um die menschliche Monstrosität auszustellen; Bösch folgt diesem Diktat, und dabei gelingt ihm ein kurzweiliger Abend, ein Schwab-Medley, in dem die malträtierten Außenseiter ebenso zu Wort kommen wie ihre Peiniger. […] Wie das glänzend eingestellte Ensemble Schwabs entfesselte Sprache zum Schillern, Sprühen, Stinken bringt, gehört zu den Verdiensten des Abends. Doch wie bei jeder Best-of-Revue erfährt man über Schwabs künstlerisches Begehren nur wenig. Wohlportioniert und auf Distanz serviert, vermögen Suff, Scheiße und Blut, ohnmächtiger Zorn und hinterfotzige Aggression, Faschismus und Frömmelei kaum zu verstören.« Kleine Zeitung, Ute Baumhackl, 14. Jänner 2024

 

»David Bösch schafft mit „Schwabgasse 94“ eine wilde Mischung aus Texten des 1994 verstorbenen Dramatikers. Das Ensemble legt sich dabei toll ins Zeug. […] Nicht ein, nicht zwei, nicht drei Stücke an einem Abend, sondern ein Medley von Texten im Dutzend – Dramen, Fragmente, Theoretisches, ganz Persönliches. […] Zum Gesamtkunstwerk macht Patrick Bannwarts Bühnenbild die Inszenierung. […] Herrmann Wurm, das Alter Ego des Dichters, […] wird von seiner frömmlerischen Mutter (Olivia Grigolli) wüst beschimpft – wegen seines Trinkens und seines Dichtens, kurz, wegen seines Versagens. […] Also dürfen nicht nur die Wurms die Sau rauslassen, sondern auch die Kovacics […]. Noch härter gerät der Umgang nur, wenn Niederhuber und Grigolli […] als Präsidentinnen aufeinander losgehen. […] Spätestens, wenn die arme Mariedl mit bloßen Händen in den Abort greift oder mit der Klobürste die Madonnen segnet, kann man das Schwab-Flair geradezu riechen. […] Trefflich spielt Annette Holzmann die Erniedrigte, die dennoch ihren Stolz bewahrt, verrückt und subtil zugleich. Die Regie hatte zudem eine kühne Idee. Mariedl und Herrmann sind aus verschiedenen Stücken. In „Schwabgasse 94“ treffen sie erstmals zusammen. Da knistert es. Ganz nah bei Schwab ist man auch, wenn Rudi Widerhofer auftritt, der ihn persönlich gut kannte. Er spielt eine herrliche Farce aufs Genitalische: Wurst aus der Unterhose! Und wenn er im Geiste des wilden Dichters monologisiert, sieht man unter all diesem Schrecklichen sogar das Schöne.« Die Presse, Norbert Mayer, 15. Jänner 2024

 

»Regisseur David Bösch, designierter Schauspieldirektor am Landestheater Linz, verschmilzt im Schauspielhaus Graz das Schwab’sche Material zu einem Pandämonium des Allzumenschlichen, vor allem aber zu einer vielschichtigen Hommage an die facettenreiche Sprache des Dichters und Dramatikers. Diese wird von den Ausführenden genussvoll und gekonnt beiläufig – als würden im Gemeindebau alle so reden – auch sprechtechnisch brillant über die Rampe gebracht. […] David Bösch zelebriert auf der von Ausstatter Patrick Bannwart kunstvoll zugemüllten Drehbühne keineswegs nur das Schiache und Brutale, auch wenn er ihm mit Witz und Ironie und leichter Hand viel Raum gibt. Gelegentlich aber hält die Drehbühne inne, und es herrscht nicht Verzweiflung, sondern jene Ruhe, die sogar „die innere Hundsmaulstimme“ zum Schweigen gebracht hat: „Eine Ruhe, die nichts weiß von einer Ruhe.“ Der Schauspieler Rudi Widerhofer, der als Hundsmaulsepp, Dichter und Nationalratsabgeordneter gleich drei fulminante Soli hinlegt, lässt in dieser Ruhe das Publikum tatsächlich den Atem anhalten.« Der Standard, Heidemarie Klabacher, 15. Jänner 2024

 

»Dieses irrwitzig und bösartig verrenkte, dekonstruierte und wieder zusammengebaute Schwabisch hat die Jahrzehnte taufrisch überdauert. Ein eigenwilliges Dramenidiom verlangt nach eingefleischten Schwab-Figuren, und Olivia Grigolli (Frau Wurm/Grete) und Rudi Widerhofer (Hundsmaulsepp/Dichter/Nationalratsabgeordneter) sowie Karola Niederhuber als Erna überzeugen als Wiedergänger-Trio. „Schwabgasse 94“ bringt zusammen, was nicht zusammengehört. Das collagierte Theaterprojekt verzahnt unterschiedliche Stücke und Schwab-Personal, so treffen etwa Herrmann und Mariedl, die Kloputzkoryphäe, erstmals aufeinander – eine zarte Romanze zweier Schicksalsgebeutelter. […] Die attraktive Bühnengestaltung von Patrick Bannwart orientiert sich an einem anderen Schwab-Zitat: „Theater ist ein herrlicher Schrottplatz“ – ein Dschungel aus Müllcontainern, Versatzstücke aus dem Secondhandlager, Madonnenfiguren, die nach Segnung mit der Klobürste zu leuchten beginnen, mit Kot gefüllte Gläser, ein monströses, beschmiertes Karol-Wojtyła-Bild und Kurt Waldheim mit Teufelshörnern und Vampirzähnen dürfen auch nicht fehlen.« Salzburger Nachrichten, Martin Behr, 15. Jänner 2024

 

»Bösch druckt nicht auf die Tube, sondern zusammen mit dem Ensemble ziseliert er die Spitzen und Kerben dieser auch nach Jahrzehnten unabgewetzten Schwab- Sprache. Mit Spielern wie dem ursprünglich aus Braunau stammenden Rudi Widerhofer (außer Hundsmaulsepp auch noch stark als Figur des Nationalratsabgeordneten und des Dichters) sowie der seit dieser Spielzeit von der neuen Schauspiel-Intendantin Andrea Vilter engagierten Linzerin Karola Niederhuber kommen Schwabs Lyrik-, Prosa- und Dramatik-Versatzstücke zusätzlich in Wallung, ohne sich in Verbalfäkalien zu walzen. Bösch, der seine Figuren behutsam zueinander in Beziehung bringt, antwortet demnach mit dieser Arbeit gleich selbst auf die im Text gestellte Frage: „Ist es ein Theaterstück, nur weil es schiach ist und brutal?“ Manche Szenen gleiten nicht wie geschmiert ineinander, sondern ruckeln als Schwab-Revue daher, aber im Publikum springt man gern von der „Volksvernichtung“ zu den „Präsidentinnen“, die hier mit Greta (Grigolli) und Erna (Niederhuber) Schwabs Sprache aufs Neue musikalisch entfesseln. Aus der Ferne winkt ein hünenhafter Papst Johannes Paul II., Kurt Waldheim glotzt mit aufgemalten Teufelshörnern aus der Seelen- und Müll-Landschaft. Und wenn Mariedl und Herrmann (Schwabs Alter Ego), die einander literarisch nie begegnet sind, sich vielleicht doch zu einer Liebesgeschichte verabreden, dann wird eine rauschige Zärtlichkeit offenbar, die nach verführerischer Bitterschokolade schmeckt. Langer Applaus.« OÖ Nachrichten, Peter Grubmüller, 15. Jänner 2024

 

»Es sind immer wieder dieselben Themen, die Schwab aufgriff und mit seiner scharfsinnig-spielerische Sprache durchleuchtete. Kirche, Nazis, Kindesmissbrauch, Familie – alles ist Thema und alles wird mit der verrotteten Gesellschaft in Verbindung gebracht. Dabei setzte der Dichter Fäkalausdrücke mit einer Freude ein, die an kleine Kinder erinnert, die unschuldig mit ihrem Gacksi spielen, weil’s einfach so schön ist. Aus der Entfernung von drei Jahrzehnten hat das Ganze fast etwas Rührendes, trotzdem fasziniert die zwischen Kraftausdrücken und zarter Poesie changierende Sprache immer noch. Regisseur David Bösch lässt den Figuren Raum und hält die Balance zwischen Klamauk und berührenden Momenten. Gespielt wird mit Hingabe und mehr oder weniger sprachlicher Präzision. Mervan Ürkmez überzeugte als Herrmann, der einen vorsichtigen Ausbruch aus dem häuslichen Gefängnis in Richtung Mariedl wagt, die von Annette Holzman mit lakonischem Realitätssinn gezeichnet wird. Olivia Grigolli (Frau Wurm, Grete) und Karola Niederhuber (Frau Kovacic, Erna) wirken wie lustvoll aus der Zeit gefallene Schwab-Figuren in ihrer sprachlichen und darstellerischen Überdrehtheit, Franz Solar (Herr Kovacic, Ehemann) stellt seine Figuren mit der gewohnten Prägnanz auf die Bühne. Rudi Widerhofer, Luisa Schwab und Chen Emilie Yan ergänzen das ambitionierte Ensemble.« APA, Karin Zehetleitner, 13. Jänner 2024

 

»Es ist klar: Bösch und sein Team wollen in die politische und gesellschaftliche Jauchengrube abtauchen, aus der Schwab einst seine legendär-skandalösen Texte gefischt hat. Szenen aus diversen Stücken Schwabs vermischt der Regisseur mit Material aus dessen Arbeitsbüchern und collagiert eine Best-of-Revue. […] Denn so grandios hier auch aus allen „schwabischen“ Kanonen gefeuert wird – ohne ihren Kontext im Stück verkommen die Szenen zu Gesten, die ins Leere laufen und sich schnell ermüden. Schwab war eben nicht nur ein brillanter Wortakrobat, Fäkaljongleur und Provokateur. Vor allem war er ein grandioser Dramatiker, den man am besten ehrt, indem man seine Stücke spielt.« Kronen Zeitung, Christoph Hartner, 19. Jänner 2024

 

»Strukturell sehen wir in der »Schwabgasse« ineinander verschachtelte Kurzfassungen der Stücke »Die Präsidentinnen« und »Volksvernichtung«. Gerade Stellen, die wirklich weh tun […], funktionieren in der dargereichten Zusammenschau nur aufgrund ihrer Komik. Denn ohne diese körperlich schmerzhafte Komik würden wir die Figuren ernster nehmen als den Zusammenhang, in dem sie stehen. […] Schauspielerisch ist die Präsenz von Annette Holzmann hervorzuheben, deren Figur (das »Mariedl« aus den »Präsidentinnen«) in diesem Potpourri die widersprüchlichsten Funktionen auf den kleinen Klosettfrauenleib geschrieben bekommt – was uns Holzman [!] aber nie spüren lässt. Mervan Ürkmez kommt der folgerichtigen, aber undankbaren Aufgabe bemerkenswert gut bei, den oben erwähnten Herrmann zugleich als einen Avatar des Autors zu spielen; und Rudi Widerhofer als »Hundsmaulsepp« hat das beste komische Timing des Abends. […] Der Impuls dieser »Hommage an Schwab« selbst bleibt ambivalent. Was ihn aber grunderfreulich macht, ist das zur Schau gestellte Vertrauen auf die Unverwüstlichkeit des Schwabschen Werkes für ein Theater, das auch »dreißig Jahre später« der Brutalität der wirklichen Verhältnisse (vielleicht) gewachsen bleibt.« ND aktuell, Stefan Schmitzer, 18. Jänner 2024

 

»Besonders zu erwähnen ist das hervorragende Ensemble, das sich spürbar lustvoll durch den Abend schwingt. Ein Franz Solar als eindringlich und wahrhaft kleinbürgerlicher Prollpapa, eine Olivia Grigolli unter anderem als Monstermutter und (in einem famosen handgreiflichen Streitgespräch mit Karola Niederhuber) eskalierende möchtegernbourgeouise Zicke. Ein Rudi Widerhofer, der Ohnehin-Schwabfachmann, als Hundsmaulsepp und der supertroupere Mervan Ürkmez als Schwab-Alter-Ego (langer Ledermantel inklusive) sind stellvertretend mit den wenigen noch fehlenden zu erwähnen. Überhaupt funktioniert das Textkonvolut als Ganzes, ein Verdienst der Schauspieler – als alle. […] Empfehlung! Hingehen!« FAZIT, Michael Petrowitsch, März 2024