Österreichische Erstaufführung
Sonne / Luft
In Kooperation mit dem steirischen herbst
von Elfriede Jelinek
Die Sonne spricht. Dass sie längst nicht mehr nur anbetungswürdig ist, offenbart ihre rotzige Art, uns Menschen die Leviten zu lesen. Aus der Distanz wirft sie einer Göttin gleich ihren Blick auf die Erde und lacht ob ihrer – ja nur für den menschlichen Planeten zerstörerischen – Kraft.
Auch die Luft kommt zu Wort. Vielstimmig räsoniert sie über ihre Wandelbarkeit, ihre Grenzen und die Vergänglichkeit an sich. Oder, Moment, ist das überhaupt noch die Luft, die da spricht?
Durch permanente Perspektivwechsel und in gewohnt lustvollen Spracheskapaden stellt Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek in ihrem jüngsten Theatertext einmal mehr unsere gewohnten Annahmen auf den Kopf. Ja, der Mensch bedroht längst die Natur. Doch durch den Auftritt der »Göttinnen« wird nun unmittelbar auch die Macht spürbar, die die Natur besitzt.
Regisseur Emre Akal, zuletzt Artist in Residence an den Münchner Kammerspielen, verbindet mit dem Duo Mehmet & Kazim, deren bildende Kunst von der Hiphop- und Graffitiszene beeinflusst ist, eine enge Zusammenarbeit. Gemeinsam schaffen sie in einer radikal bunten und innovativen Ästhetik virtuelle Welten. Hier versuchen die Menschen zu konservieren, was ihnen gerade durch die Finger rinnt: die unberührte Umwelt, das rein Menschliche, die echte Begegnung. Was passiert, wenn es die Natur, so wie wir sie kennen, nur noch als digitale Erinnerung gibt? Und wo überhaupt befinden wir uns dann? Denn wenn die Welt untergeht, sind doch auch wir untergegangen. Oder nicht?
»Sonne / Luft« ist als Österreichische Erstaufführung erstmals als vollständige Fassung mit beiden Teilen zu sehen.
Einführung um 19:00 Uhr im Salon, 1. Rang In deutscher Sprache mit englischen Übertiteln. / In German with English surtitles
Premiere: 16.03.2024
HÖRGABE - Audioeinführung mit Chefdramaturgin Anna-Sophia Güther
Trailer
Pressestimmen
»Der Abend lebt vom starken Bühnenbild und von der eindringlichen Musik-Kulisse, die der Münchner Multi-Instrumentalist Enik erdacht hat. Fein synchronisiert sind Bewegung und Musikakzente, technisch genau abgestimmt. Fein auch die Sprechtechnik der sieben Akteure. Regisseur Emre Akal spielt gefinkelt herum an den Grenzen zwischen Science Fiction und Nostalgie. Das hat seinen Reiz und steckt im Detail voller Ironie.« Nachtkritik.de, Reinhard Kriechbaum, 14. Oktober 2023
»Die zweite Premiere der Ära Vilter am Grazer Schauspielhaus besticht mit spektakulären Videoanimationen und Jelinek’schen Wortkaskaden zur Klimakrise. […] Und wie im »Frauenzimmer« besticht der Abend erst einmal durch seine Aufregende Ästhetik. […] Jelineks Textflächen körperlich zu machen, ist eine Aufgabe, die nicht allen Regisseuren gelingt. Akal meistert sie glanzvoll. Langer Applaus nach knapp zwei Stunden.« Nachtkritik, kleine.at, Ute Baumhackl, 14. Oktober 2023
»Der Text der Nobelpreisträgerin dreht sich, auch wenn Jelinek zu elegant ist, sie konkret zu nennen, um die längst angebrochene Klimakrise – und die menschliche Unfähigkeit, darauf zu reagieren. Deretwegen müssen in dem zwischen Untergangsvision und göttlicher Abrechnung oszillierenden Text offenbar Sonne und Luft selbst das Wort ergreifen. […] Jelineks komplexe Textflächen körperlich zu machen, bestehen nicht alle Regisseure. Akal und sein Ensemble meistern sie glanzvoll – auch mit Unterstützung durch das Designduo Mehmet und Kazim. Das transferiert mithilfe einer riesenhaften Bühnenprojektion, deren Ästhetik Animationsfilm und Videogames zitiert, Ensemble und Publikum auf das Panoramadeck eines Raumschiffs, das im IMAX-Format durch ein bröckelndes All jagt. […] Doch bei all ihrer Geschäftigkeit bleiben die Menschen stumm. […] Wer das Ende quasi schon hinter sich hat, dem bleibt nicht mehr viel zu sagen. […] Rasender Stillstand, natürlich, und dann langer Jubel.« Kleine Zeitung, Ute Baumhackl, 15. Oktober 2023
»Bemerkenswert ist vor allem das Bühnenbild: ein Wunderwerk an KI-geschönten Illusionen vom Malerduo Mehmet & Kazim. Man könnte meinen, die legendäre Enterprise hat sich im Schauspielhaus verhakt und zieht es nun hinter sich her. Das Raumschiffmotiv ist schlüssig, die Umsetzung eindrucksvoll.« Margarete Affenzeller, Der Standard, 16. Oktober 2023
»Im Vorjahr in Zürich uraufgeführt, bringt Regisseur Emre Akal den von manchen salopp als »Klimaschutzstück« titulierten Abgesang auf »Scheusale in Menschengestalt« nun im Grazer Schauspielhaus zur österreichischen Erstaufführung. Der 42-jährige deutsche Regisseur spielt auf überzeugende Weise mit dem Genre Science-Fiction, integriert — wenn die Natur endlich einmal massiv zu Wort kommt — auch künstliche Intelligenz. Man denkt an »Star Trek«, an Terry Gilliams Kultfilm »Brazil« und auch an Edward Hoppers Bildästhetik, während die technoid verzerrte Stimme der Sonnengöttin litaneiartig der Menschheit eine Abrechnung präsentiert. […] Die Grazer Aufführung rahmt die Monologe mit eindrücklichen Versatzstücken aus dem Genre Science-Fiction (Bühnenbild und Videoanimationen von Mehmet & Kazim). Emre Akal seziert die Paralleluniversen der Jelinek‘schen Wortskulpturen mit einem akribisch agierenden Ensemble. In Kooperation mit dem steirischen herbst wird hier Illusionstheater im besten Sinne des Wortes geboten. Desillusionierend und doch beglückend.« Martin Behr, Salzburger Nachrichten, 16. Oktober 2023
»Emre Akal, der Jelineks Textflächen zu einer ungeahnten Materalität und Körperlichkeit verhilft und sie von den Spielenden loslöst; ein mutiges Unterfangen, was absolut aufgeht, gerade auch im Zusammenspiel mit dem Bühnenbild und der Videoanimation, für die das Künstlerduo Mehmet und Kazim verantwortlich zeichnen. Zwar geht es auch um die Folgen der Klimakatastrophe, aber auch um soviel mehr. Wie verortet sich der Mensch zu seiner Umwelt, wie steht er in Beziehung zu sich und den Anderen, welche Wechselwirkungen gibt es zwischen Natur und Kultur. Bei allem Ernst darf aber auch gelacht werden, etwa angesichts der vielfältigen Recycling-Ideen, die auf der Bühne zu sehen sind.« schauinsblau.de
»Wortmächtig schreibt sich die Autorin ihre Ohnmacht angesichts unseres Umgangs mit der Erde von der Seele, bildgewaltig und metaphernreich setzt Regisseur Emre Akal den Text in Szene. Überwältigend fällt die Bühnengestaltung von Mehmet & Kazim aus, die zu einem Gipfeltreffen von Kubriks »Odyssee 2001« und der Ästhetik der Einsamkeit in Edward Hoppers Bildern lädt. Lara Roßwegs [!] Kostüme und Eniks Musik ergänzen diesen psychedelischen Trip perfekt. […] Beeindruckend ist die Leistung des Ensembles, das diesen zuckerlfarbenen Weltuntergang, der ebenfalls in Zeitlupe Sogwirkung entfaltet, durchstreift.« Michaela Reichart, Kronen Zeitung, 15. Oktober 2023
»Die Passagiere des überwältigenden Raumschiffs von Mehmet & Kazim […] fristen aber trotz des Fröhlichmachers »Guten Morgen Sonnenschein« von Nana Mouskouri ein erbärmliches Dasein in den wie von einem KI-Grafikprogramm ersonnen, trotz buntester Farben bedrückenden Räumen. […] Manche der Handlungen in diesem einstündigen Silent-Movie – untermalt von Eniks bedrohlichem Vokal-Soundtrack – sind völlig unverständlich, aber nicht bloß dadaistisch: Sie beziehen sich, wie man erkennen wird, auf den zweiten Teil. […] Ein Abend mit vielen Wow-Effekten.« Thomas Trenkler, Kurier, 15. Oktober 2023
»Die maximale Freiheit, die die Textflächen der Inszenierung eröffnen, gibt es nicht ohne Risiko. Wie Tim Breyvogel, Thomas Kramer, Luiza Monteiro, Anna Rausch, Sebastian Schindegger, Anke Stedingk und Mervan Ürkmez unter der Regie von Emre Akal Jelineks Wortkaskaden zum Bühnendasein erwecken, ist faszinierend. Wie schon beim ganz anders gestrickten Stück „Von einem Frauenzimmer“ fällt das präzise Timing der Schauspieler:innen auf. […] Geräusche und Laute verschmelzen mit der Musik von Enik. Theater als genreübergreifende Komposition passt haargenau zu Jelineks musikalischer Sprache. […] Das ist kein (Unter-)Haltungstheater mit eindeutiger Schlagrichtung, sondern Theater, das vieldeutige Zugänge ermöglicht und nicht mit (Selbst-)Ironie und Nuancen geizt.« Sigrun Karre, kuma.at, 15. Oktober 2023
»Durch den Einsatz von Videosequenzen des Künstlerduos Mehmet &Kazim erhält die Ausstattung einen besonderen ästhetischen Push, gewinnt an Dreidimensionalität und lässt zum Teil sogar Kino-Feeling aufkommen. Nicht zuletzt ist es die kluge Soundmischung von Enik mit dramaturgischen Ausmaßen, welche dem Geschehen beständig einen passenden, emotionalen Unterbau verleiht. Die Mischung zwischen herkömmlichen Theatermitteln und dem Einsatz von artifiziellen Videosund Projektionen heben die Inszenierung auf ein neues Theater-Erfahrungslevel. Es macht Staunen und zugleich Lust, mehr in dieser Art zu sehen. „Sonne/Luft“ bietet dem Publikum, was das Kino oder auch die großen Bildschirme in den Wohnzimmern nicht bieten können: eine Live-Performance, in welcher die Emotionen von der Bühne direkt in den Zuschauerraum schwappen und einen Plot, der aufgrund seiner kunstvollen Sprache, seines geistvollen Inhalts und einer gelungenen Bühnenumsetzung auch den Intellekt anspricht. Mission completed.« Michaela Preiner, European Cultural News, 24. Oktober 2023
»Die Regiearbeit von Emre Akal nebst grenzgenialer Bühnenbildoffenbarung von Mehmet und Kazim (mit Lara Roßwag) lädt beeindruckendst zum Staunen ein. Letztere haben in einer innovativen und radikalen Ästhetik eine Welt erschaffen, die die analoge Bühnenrealität ins Digitale erweitert. Diese Basis und das frischengagierte Schauspielerpersonal (köstlich: Mervan Ürkmez) katapultieren das Haus mit Intendantin Andrea Vilter und Dramaturgin Anna-Sophia Güther als größtes Stadttheater nun endgültig in eine neue Ära. Das Grazer Publikum braucht ohnehin Anschub und Denkaufgaben. Die eineinhalb Stunden ohne Pause sind herausfordernde Textexegese, geben viel Visuelles zu erforschen und bieten zudem Stoff, um im Nachgang weiter zu diskutieren. Frenetischer Applaus! Gut so, weiter so.« Michael Petrowitsch, Fazit, November 2023