Der Zerrissene

Der Zerrissene

Posse mit Gesang

von Johann Nestroy
mit Couplets von Ulrike Haidacher

»Ein zerrissenes Gemüt« – so lautet die Selbstdiagnose des ledigen Kapitalisten Herrn von Lips, der sich in einer Lebenskrise befindet. Die Ursache: ein Leben im Überfluss, ohne Ziel und Inhalt. Abgestumpft gegenüber all den Freuden des Lebens, beschließt der Grenzgänger, die erste Frau, die ihm über den Weg läuft, zu heiraten – in der Hoffnung, dass sich die Ehe als jene Abenteuerfahrt entpuppt, nach der er lechzt. Dass er dabei auf eine Heiratsschwindlerin trifft, sich mit deren Ex prügelt und damit wortwörtlich in ein neues Leben stürzt, führt allerdings deutlich weiter, als er sich hätte träumen lassen. Erst als Lips außerhalb seines goldenen Käfigs gezwungen wird, sich der Realität zu stellen und neue Perspektiven einzunehmen, beginnt er, auf seine wahren Gefühle zu hören.

Ganz nach dem Motto »Hochmut kommt vor dem Fall« zeichnet Johann Nestroy seine pointierten Charaktere und lässt einen nach dem anderen mit bitterem Witz in den Abgrund purzeln. In eben diesen Abgrund begibt sich die Grazer Autorin Ulrike Haidacher gemeinsam mit dem Ensemble, um die Couplets für »Der Zerrissene« zu erarbeiten und der ein oder anderen fallengelassenen Figur eine Stimme zu geben – eine laute, versteht sich.

Dauer: ca. 1:50 Stunden, keine Pause

Premiere: 24.11.2023

Der Zerrissene_Željko Marović_Oliver Chomik_Kaspar Simonischek_040_c_Lex Karelly © Lex Karelly

Besetzung

Team

  • Regie: 
    Ulrike Arnold
  • Bühne: 
    Franziska Bornkamm
  • Kostüme: 
    Anna Lechner
  • Musik: 
    Clemens Rynkowski
  • Licht: 
    Thomas Bernhardt
  • Dramaturgie: 
    Emily Richards

Trailer

Pressestimmen

»Željko Marovic […] ist in der Titelrolle die Entdeckung des Abends. […] Sein Herr von Lips lebt im Heute mit Designer-Hausanzug und in flauschigen Pantoffeln (Kostüme: Anna Lechner), er ist übersättigt und gelangweilt vom Leben als reicher Dandy […]. Diagnose: depressiv durch die Einförmigkeit des beständigen Gutgehens. […] Und der die falschen und jämmerlichen Freunde Stifler und Wixer (sehenswert: Oliver Chomik und Kaspar Simonischek) erst erkennt, als er den Goldenen Käfig verlässt, weil er glaubt, bei einer Rauferei auf der Soirée den Schlosser Gluthammer (urig und zärtlich: Sebastian Schindegger) getötet zu haben. […] Die deutsche Regisseurin Ulrike Arnold ließ sich von den Männerduellen und Lips‘ Flucht zu bemerkenswerten cineastischen Bildern inspirieren, die zum Tonfall der nüchternen, aber deswegen ganz und gar nicht faden Aufführung passen. Arnold choreografiert kein Nestroysches Universum des »Zerrissenen«, vermag aber mit ihrer Sicht auf die Posse mit Gesang zu überzeugen und gemeinsam mit Bühnenbildnerin Franziska Bornkamm durchgehend zu unterhalten. Franz Solar (ein knorriger Krautkopf) bereichert als Urgestein des Hauses den Abend. […] Herausragend: Luisa Schwabs Solo (»Kathi ist lieb, weil Nestroy mich so schrieb«) und Olivia Grigolli (Mathilde bzw. Madame Schleyer), die sich noch einmal eine Stimme verschafft (»Ich falle aus der Handlung raus«).« Kleine Zeitung, Christian Ude, 26. November 2023

 

»Er [Franz Solar] gibt den Krautkopf virtuos als grantigen Wirt. Denn Regisseurin Ulrike Arnold hat den zweiten und dritten Akt aus dem vorgesehenen Wirtschaftsgebäude in ein uriges Wirtshaus – mit Dartscheibe und Maggi- Flaschen – verlegt. Das funktioniert gut und gibt Luisa Schwab als Kathi die Gelegenheit, hingebungsvoll Besteck zu polieren, wenn die Handlung verzwickt wird. Und das wird sie. »Der Zerrissene» ist eine Posse, die einige Drehungen und Wendungen braucht, bis zusammenkommt, was zusammengehört, nämlich der reiche, aber nicht geldgierige, sondern gutmütige, daher sozusagen zwischen Stand und Gemüt zerrissene Kapitalist Herr von Lips und die brave Kathi, die in ihm nicht den Geldsack sieht. Kathi und das ganze Setting wirken – etwa im Vergleich zum »Talisman« – ziemlich treuherzig, das fand auch die Regisseurin – und ersetzte schlankerhand die Couplets durch eine Art von Lehrliedern, die die Handlung moralisierend kommentieren wie in der »Dreigroschenoper«. […] Er [Željko Marović] ist der sympathischste Herr von Lips, den man sich vorstellen kann, und zeigt besonders in den Szenen, in denen er in Unterhosen mit Gluthammer – gehörig bodenständig und cholerisch: Sebastian Schindegger – bzw. Krautkopf [Franz Solar] ringt, gute Figur. […] Auch das Kellnerballett zu Beginn ist gelungen. Überhaupt besticht diese Inszenierung immer wieder durch feine Komik, auch abseits der Sprache.« Die Presse, Thomas Kramar, 27. November 2023

 

»Statt einer »pittoresk-gigantischen Felsengegend« hat Bühnenbildnerin Franziska Bornkamm eine Collage aus Fotos mit Wolken zum formatfüllenden Prospekt aufgeblasen. Denn im Schloss des Herrn von Lips geht es himmlisch zu. […] Der Zerrissene ist aber kein Böser, eher ein Sanft-Naiver. Und sein Darsteller, Željko Marović, bemüht sich wirklich redlich, Wörter wie »sowieso« in Stoasteirisch und »kralewatschet« zu erlernen. Bis zur Pause (die gestrichen wurde) ist manches erzwungen, danach aber gewinnt Nestroy die Oberhand, auch wenn aus dem Kipferl ein Croissant wird. Das liegt in erster Linie an Franz Solar. Der altgediente Komödiant ist noch so ein Krautkopf mit Kopfweh, wie man sich ihn vorstellt.« Kurier, Thomas Trenkler, 26. November 2023

 

»Mit den ersten gesprochenen Worten landet man in einem Strudel aus Verwirrungen, einer sich aberwitzig zuspitzenden Handlung, in der nicht nur die Schere von Arm und Reich klafft, sondern viele aktuelle Probleme zur Sprache kommen. Klug in Szene gesetzt von Regisseurin Ulrike Arnold, die mit Slapstick ebenso umgehen kann wie mit den Emotionen der Figuren – und bei aller Hinwendung zu einer zeitgemäßen Ästhetik dem Autor, seiner Sprache und seinem Humor treu bleibt. Selbst in den ungewöhnlichen Couplets (von Ulrike Haidacher mit dem Ensemble verfasst) wird dessen Witz und Kritik originell fortgeführt: […] Begleitet von den hervorragenden Musikern Clemens Rynkowski und Jan Krizanic werden die Songs zu Schätzen dieser Inszenierung. Aber erst das bemerkenswerte Ensemble macht diesen »Zerrissenen« zu einem frechen, pfiffigen, unterhaltsamen Ereignis. Die wunderbare Luisa Schwab zieht als resche, selbstbewusste Kathi ganz neue Saiten [!] auf. Željko Marović gefällt als übersättigter Herr von Lips, der erst in der Armut erkennt, was und wer wichtig ist. Seine Freunde Stifler und Wixer (herrlich überzeichnet: Oliver Chomik und Kaspar Simonischek) sind es nicht. Und Sebastian Schindegger als zärtlich explosiver Schlosser Gluthammer ist ohnehin eine Klasse für sich. Nicht minder witzig und überzeugend: Olivia Grigolli, Franz Solar und Clemens Maria Riegler. Äußerst gelungen auch das Bühnenbild von Franziska Bornkamm, das mit Augenzwinkern die großzügige Weite der Reichen gegen die düstere Enge der Armen setzt. Ein hochgradig unterhaltsamer und kurzweiliger Abend!« Kronen Zeitung, Michaela Reichart, 26. November 2023

 

»Željko Marović lässt schon beim ersten herabschauenden Hund auf der Partycouch perfekte Körperbeherrschung erahnen. […]. Auch seine Figur des Herr von Lips ist ein Gummikörper, der weder durch besonders gute noch schlechte Eigenschaften auffällt. […] Gebrochen wird im Stück, das 1844 seine Uraufführung hatte, ebenso mit den Frauenbildern. Genau in dem Moment, wo man sich darüber Gedanken macht, dass die netten Mädchen bei Nestroy irgendwie immer gleich sind, stimmt die vielseitige […] Luise Schwab darüber ein Lied an. […] Olivia Grigolli als Madame Schleyer […] geht einen Schritt weiter. Sie bekommt von Ulrike Haidacher, die die aktuellen Couplets verfasste, eine Chansoneinlage, in der sehr sie sich über ihre fehlende Bühnenzeit im Stück beschwert. Zu Recht. […] Vor dem Finale glänzen Haupt- und Nebendarsteller*innen in Krautkopfs Etablissement. Das bis zur Maggi-Flasche sorgfältig durchdesignte Wirtshaus gibt ihnen bei verkleinerter Bühne mehr Raum für gut getakteten Slapstick, bei dem sich auch die beiden Live-Musiker beteiligen dürfen. […] Es ist weniger das gewohnt witzige Pingpong der Dialoge, als vielmehr der ganzheitliche Einsatz der Schauspieler*innen, der den Abend (abgesehen von der traumhaften Ausstattung und den Beats von Clemens Rynkovski) zum sinnlich-sinnvollen Erlebnis macht.« KUMA, Lydia Bißmann, 25. November 2023

 

»Arnold [Regisseurin] belässt den Text zum größten Teil im Nestroy´schen Diktum und ergänzt ihn stellenweise mit Worten aus unserem Sprachgebrauch. […] Zugleich aber animierte die Regisseurin die Grazer Autorin Ulrike Haidacher gemeinsam mit dem Ensemble anstelle der Couplets Songs zu verfassen, die sich mit den verschiedenen Rollen des Stücks auf einer Meta-Ebene befassen. Herr von Lips darf sich darin seine eigene Zerrissenheit mit »ich bin halt so« zementieren, Kathi macht klar, dass sie nur so brav sei, weil Nestroy ihre Rolle so geschrieben habe. Frau von Schley beklagt, dass sie nach ihrem Auftritt in der Posse nicht mehr vorkommt, Herr Krautkopf fühlt sich in seiner unerwünschten Freunderlwirtschaft unwohl. […] Ein brillantes Ensemble gibt 100 Prozent und macht den Abend sehenswert. […] Željko Marović als sagenhaft reicher Herr von Lips blödelt sich anfangs mit Vampir-Zähnen durch seine Langeweile, erlebt später, vom Schicksal dennoch gebeutelt, mit einer »schiachen Haube«, was es heißt, ein Habenichts zu sein und himmelt letztlich innig seine geliebte Kathi an. Er weiß in allen emotionalen Zuständen den perfekten Ton zu finden und erntet damit viele Sympathien. Kathi – Luisa Schwab – bleibt von Beginn bis zum Schluss bodenständig und hält gekonnt alle um sie herum verrückten Mannsbilder in Schach. […] Franz Solar als Krautkopf beklagt des Öfteren am Klo sitzend seinen schmerzenden Kopf, brüllt, was das Zeug hält, wenn seine Angestellten wieder einmal nicht parieren und schmeichelt vergebens um die Gunst seiner zu Reichtum gekommenen Nichte. Seine Art zu spielen, erinnert am stärksten an jene Nestroy-Darsteller, denen man in herkömmlichen Inszenierungen begegnete, was mit großem Spaß verbunden ist.« European Cultural News, Michaela Preiner, 25. November 2023