Schauspielhaus Graz präsentiert Spielzeit 2025/26
Vielfalt, Kanonerweiterung und Fokus auf österreichischer Literatur
Am 20. Mai präsentierte Intendantin Andrea Vilter gemeinsam mit Chefdramaturgin Anna-Sophia Güther den neuen Spielplan der Saison 2025/26. In der dritten Spielzeit steht erneut eine große Bandbreite an Stoffen und künstlerischen Handschriften auf dem Programm: von bekannten Klassikern über Uraufführungen und zeitgenössischen Texten bis hin zu spannenden Ausgrabungen im Rahmen der programmatischen Kanonerweiterung. Insgesamt werden in den drei Spielstätten Schauspielhaus, Schauraum und Konsole 17 Premieren zu sehen sein – darunter zahlreiche österreichische Positionen.
Eröffnet wird die Saison am 19. und 20. September wieder mit einem Premieren-Triple: Im Schauspielhaus setzt die deutschsprachige Erstaufführung von »Les Blancs« der amerikanischen Dramatikerin Lorraine Hansberry ein starkes Zeichen für die in der Intendanz Vilter erfolgreich etablierte Programmlinie der Kanonerweiterung. Hansberry war die erste Schwarze Autorin, die 1959 am Broadway gespielt wurde, ihr Erstlingsdrama ein weltweiter Erfolg; dennoch ist die früh verstorbene Autorin weitgehend in Vergessenheit geraten. Die deutschsprachige Erstaufführung von Hansberrys letztem Drama inszeniert am Schauspielhaus die vielfach ausgezeichnete südafrikanische Regisseurin MoMo Matsunyane. Der Schauraum hostet am folgenden Tag die Stückentwicklung »Belly of the Best« (AT) einer Gruppe junger Grazer Künstler:innen rund um Azlea Wriessnig. Die Spielplanposition ist aus einem Open Call an die lokale Freie Szene hervorgegangen, mit dem das Schauspielhaus Graz im Frühjahr kurzfristig auf die Entwicklungen in der steirischen Kulturpolitik reagiert hatte. Die Spielzeit in der Konsole eröffnet das multimediale Hörstück »Etwas Kommt Mir Bekannt Vor« von Allex. Fassberg, das 2017 den Retzhofer Dramapreis gewann und nichts an Aktualität eingebüßt hat.
Ein inhaltlicher Schwerpunkt des Spielplans bleibt die Auseinandersetzung mit dem literarischen Kanon. So findet Regisseur Emre Akal in der zweiten Premiere im Schauspielhaus für die wohl berühmteste Liebesgeschichte der Weltliteratur, »Die Tragödie von Romeo und Julia«, eine bildgewaltige und kraftvolle Metaerzählung. Dafür kombiniert das Künstlerduo Mehmet & Kazim, in Graz bekannt von ihrer Bühne für Jelineks »Sonne / Luft«, Digitalität mit der Dreidimensionalität des Theaters derart konsequent, dass sie eins werden.
Der Fokus auf österreichischer Literatur bleibt programmatisch: Regisseur David Bösch inszeniert im Jahr von Ödön von Horváths 125. Geburtstag dessen seltener gespieltes Drama »Der jüngste Tag«. Der ungarische Regisseur Jakab Tarnóczi bringt die Novelle »Wir töten Stella« von Marlen Haushofer in einer eigens hergestellten Theaterfassung auf die große Bühne. Die Beschäftigung mit dieser bedeutenden österreichischen Autorin steht ebenfalls im Zeichen der Kanonerweiterung und -verstetigung. Johann Nestroy wird im Schauspielhaus zum dritten Mal in Folge gezeigt: In dem musikalischen Abend »Frühere Verhältnisse | Von nun an ging’s bergab« lässt die österreichische Regisseurin Ruth Brauer-Kvam gemeinsam mit der Grazer Musikerin deeLinde den Meister des Alt-Wiener Volkstheaters auf die Chansons von Hildegard Knef treffen.
Komödienspezialistin Ulrike Arnold machte sich in Graz bekannt durch ihre Erfolgs-inszenierungen von Nestroys »Der Zerrissene« und Lessings »Minna von Barnhelm«. Mit »Karl Valentin. Ich kenne keine Furcht, es sei denn, ich bekäme Angst« entwirft sie nun einen Theaterabend, der in den Abgründen zwischen Furcht und Komik nach der tieferen Wahrheit des Lachens sucht.
Zwei Uraufführungen erweitern das Schauspielhaus-Programm um zeitgenössische Perspektiven: Für ihre Stückentwicklung »Grand Hotel Steirerhof. Ein Abend für Verlierer*« begibt sich Autorin und Regisseurin Rebekka David an einen Ort der Grazer Stadtgeschichte: Im ehemaligen Grand Hotel Steirerhof am Jakominiplatz (heute ein Einkaufszentrum) fragt sie, ob wir uns eine Zukunft ohne Fortschritt vorstellen können. Regisseurin Katrin Plötner adaptiert die neueste Graphic Novel von Bestsellerautorin Liv Strömquist, in der sie einzigartig soziologische Theorien mit popkulturellen Referenzen verknüpft, für die Bühne: die Welturaufführung von »Das Orakel spricht« am Schauspielhaus Graz!
Der Spielzeitausklang im Schauspielhaus wird musikalisch: Ausgehend von seiner Biografie erarbeitet der in Graz bekannte Musiker und Regisseur Sandy Lopičić mit »Kafana Beisl Culture Clash« eine eigens für das Grazer Ensemble verfasste balkanmusikalische Komödie und lässt dabei die Musikstile aufeinanderprallen: Der 70er Jahre-Rock trifft auf Volksmusik vom Balkan.
Im Schauraum zeigt sich erneut die Vielfalt zeitgenössischer Theaterformen: In Kooperation mit lokalen Partnerinstitutionen kommen eine Reihe von (Ur-)Aufführungen auf die Bühne – darunter die inklusive Stückentwicklung »Leck mich am Arsch, amore mio!«, die von Regisseurin Anja M. Wohlfahrt in Kooperation mit der Theaterakademie LebensGroß als Relaxed Performance in Szene gesetzt wird, die Uraufführung von »tender« der jungen österreichischen Autorin Hannah K Bründl zusammen mit Schauspielstudierenden der KUG, der Kurzgeschichtenband »Minihorror« der in Belgrad geborenen und in Österreich lebenden Autorin Barbi Marković in der Regie von Branko Janack sowie »Erinnerung eines Mädchens« von Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux. Uraufführungen in Koproduktion mit der Freien Szene eröffnen und beschließen die Spielzeit im Schauraum: Als Saisonabschluss wird das Projekt »183 Abgeordnete. Die letzten Tage von Österreich, wie wir es kennen« gezeigt: eine Kooperation mit dem Theater im Bahnhof, die ins Zentrum der politischen Repräsentation – den österreichischen Nationalrat – zielt und mit Schauspieler:innen beider Ensembles erarbeitet wird.
Einen der Höhepunkte der Spielzeit bildet die dritte Ausgabe des »Digithalia Festivals für virtuelle Theaterformen«, das erneut von F. Wiesel kuratiert wird. Im März 2026 bringt das Festival internationale Gastspiele ans Schauspielhaus und richtet sich dabei besonders an ein junges, digital affines Publikum. Nach dem Festival steht ein Übergang an: Unsere Artists in Residence, die uns länger als ursprünglich geplant mit ihrer künstlerischen Arbeit begleitet haben, brechen wieder zu neuen Ufern auf und wir befinden uns bereits in gemeinsamen Gesprächen über die Fortsetzung des digitalen Programms mit neuen Menschen, Formaten und Perspektiven.
OUTREACH-Arbeit und neue Formate im Schauspielhaus Graz
Das OUTREACH-Team des Schauspielhaus Graz setzt auch in der Spielzeit 2025/26 seine vielseitige Vermittlungsarbeit fort. Neben klassischer Theaterpädagogik – etwa durch vorbereitende Workshops, stückbezogenen Projekten mit Schulklassen und den Schultheatertagen – werden vielfältige Vermittlungsformate angeboten, die Begegnung, Austausch und partizipative Beteiligung ermöglichen. Dazu zählt unter anderem ein inklusiver Spielclub für alle ab 18 Jahren, zweisprachige Einführungen sowie bewusst gesetzte Mehrsprachigkeit in Inszenierungen.
Der Salon im ersten Rang bleibt ein zentraler Ort für vertiefende Gespräche mit Publikum, Künstler:innen und Dramaturgie. Die Zusammenarbeit mit lokalen Vereinen, Bildungs-institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen bleibt eine zentrale Säule dieser Arbeit. Auch im Bereich Inklusion und Barrierefreiheit werden bestehende Initiativen konsequent weiterentwickelt – etwa durch die Ausweitung der Live-Audiodeskription sowie durch mehrsprachige Übertitelungen in Englisch, Ukrainisch oder BKS. Ergänzt wird das Angebot durch digitale Spielformen und mehrsprachige Hörstücke in der Konsole, die das Theatererlebnis auf virtuelle Ebenen erweitern.
Rückblick auf eine erfolgreiche Saison
Das Schauspielhaus Graz konnte in der laufenden Spielzeit 2024/25 mit mehreren Produktionen überregional Aufmerksamkeit erzielen.
Auszeichnungen und überregionale Resonanz
Ein Höhepunkt war der Gewinn des Nestroy-Theaterpreis 2024 in der Kategorie »Beste Bundesländer-Aufführung« für die Eröffnungsproduktion 2023/24 der Intendanz Andrea Vilter: »Von einem Frauenzimmer« in der Regie von Anne Lenk.
Besonders erfreulich ist auch die Platzierung bei der Kritiker:innenumfrage von Theater heute: In der Kategorie »Gesamtleistung eines Theaters« wurde das Schauspielhaus Graz auf Platz 4 im gesamten deutschsprachigen Raum gewählt – und belegt unter den österreichischen Theatern sogar den 1. Platz.
Auch »Minna von Barnhelm oder Die Kosten des Glücks« in der Regie von Ulrike Arnold wurde überregional stark wahrgenommen und schaffte es als einzige österreichische Produktion unter die Top Ten des 18. virtuellen nachtkritik-Theatertreffens 2025. Beim Publikumsvoting von nachtkritik.de stimmten über 11.000 Personen für eine der 42 nominierten Inszenierungen.
Ein weiterer Erfolg war die Einladung von »Chronik der laufenden Entgleisungen« von Thomas Köck zum renommierten Heidelberger Stückemarkt 2025. Das vom Schauspielhaus Graz gemeinsam mit dem Schauspielhaus Wien in Auftrag gegebene Stück wurde vom Suhrkamp Verlag auch als Buch herausgebracht und bekam so zusätzliche große öffentliche Resonanz.
Positives Echo und Verjüngung des Publikums
Die Rückmeldungen des Publikums fallen durchweg positiv aus: Ein direktes Feedbackformat, bei dem Zuschauer:innen ihre Eindrücke unmittelbar nach jeder Vorstellung auf einer Skala von 1 bis 3 bewerten, ergibt in der aktuellen Spielzeit einen Durchschnittswert von 2,71. Sehr erfreulich ist der wachsende Anteil junger Besucher:innen: Über 20 % des Publikums sind unter 27 Jahre – ein Ergebnis, das den Erfolg eines zentralen Anliegens des Schauspielhaus Graz widerspiegelt: der gezielten Ansprache von Schüler:innen und Studierenden.
In der Spielzeit 2024/25 gelang dies durch das abgestimmte Zusammenspiel von Programmgestaltung, Kommunikation und Vermittlungsangeboten. Besonders die OUTREACH-Maßnahmen trugen maßgeblich zur Publikumsverjüngung bei: Die Zahl der Schulvorstellungen wurde deutlich erhöht, Beginnzeiten wurden angepasst und neue Vormittagsformate eingeführt – mit durchweg positiver Resonanz. Auch Schulklassen aus entfernteren Regionen konnten durch diese Maßnahmen erreicht werden.
Premierenspiegel 2025/26
Spielplan 2025/26
(c)Daniel Kindler
Galerie
Anmeldungen erbeten unter nina.strasser@schauspielhaus-graz.com
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Premieren-Abo und Freier Verkauf, € 10 bis € 79
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